Beiträge, die uns bewegten
Ein Jahr coronarchiv
Vor genau einem Jahr am 26. März 2020 ging das coronarchiv online! Seitdem sind über 5000 Beiträge von Menschen aus verschiedenen Perspektiven und Ländern zusammen gekommen. Das coronarchiv wurde dadurch zu einer der größten Sammlungen in diesem Bereich.
Zeitpunkt genug für uns als coronarchiv-Team auf die Beiträge zurück zu schauen, die uns in besonders freudiger, kreativer und auch trauriger Erinnerung geblieben sind. Wir nehmen Sie mit auf eine Reise durch „Ein Jahr coronarchiv!»
Die erste Zeit in der Pandemie
Angst, unsicherheit, Rassismus
Am 27. Januar 2020 wird in Deutschland der erste Fall des Coronavirus bestätigt. Erste Spekulationen über die Verbreitung und die Folgen dieser neuen Krankheit sorgen für Verunsicherung. Doch bis uns die ersten gesellschaftlichen Auswirkungen erreichen, dauerte es noch etwas. Schließlich am 22. März 2020 beginnt der erste deutschlandweite Lockdown. Die Geschäfte schließen, Home Office wird zum Alltag und das komplette kulturgesellschaftliche Leben wird heruntergefahren. Inmitten dieser ersten Phase der Pandemie sind viele Menschen unterschiedlichen Erfahrungen ausgesetzt. Sie berichten uns von Ratlosigkeit, Einsamkeit und auch von Rassismus.
Unsicherheit
Ansage der feuerwehr in bayern
Tinas Beitrag ist einer unserer ersten Einsendungen im coronarchiv. Am Sonntagnachmittag des 21. März fängt sie die Ansage der städtischen Feuerwehr ein. Es ist ein Tag bevor in Deutschland der erste Lockdown beginnt. Schon jetzt gelten die ersten Kontaktbeschränkungen. Deshalb fährt die Feuerwehr durch München und informiert per Lautsprecher. Auf unseren Mitorganisator Christian Bunnenberg hat dieser Beitrag eine enorme Wirkung: „Diese scheppernde Lautsprecherstimme und der Inhalt der Durchsage war so surreal, das kannte man ja eigentlich nur aus Katastrophenfilmen.»
Social distance
corona an der "Wand der einsamkeit"
In der katholischen Pfarrei- und Universitätskirche St. Ludwig in München gibt es seit 2018 die «Wand der Einsamkeit». Sie lädt Menschen dazu ein ihre Gedanken zum Thema Einsamkeit aufzuschreiben. Besonders in der «Corona-Krise» wurde diese Art der anonymen Mitteilung häufig genutzt.
Urheber:in D.Reitzenstein schrieb uns Anfang April 2020 dazu: „Die Mitteilung erinnert daran, dass Social Distancing gerade für einsame Personen das Alleinsein noch schwieriger macht.»
Rassismus
Ich bin ein Mensch, kein virus
Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Verband der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt gibt es während der Pandemie immer wieder Corona-spezifische rassistische Übergriffe – insbesondere gegen Mitbürger:innen denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wird.
Leider musste auch „eine asiatische Deutsche», wie sie sich selbst im coronarchiv nennt, diese Erfahrungen machen. „Als der Ausbruch der Coronavirus-Fälle zuerst in China stattfand, läuteten [sic!] in mir alle Alarmglocken. Auf einmal machte ich mir Gedanken darum, was wohl wäre, wenn man mich für eine Infizierte aus China hält, denn schließlich werde ich als asiatische Deutsche aufgrund meines Aussehens nicht als Einheimische wahrgenommen, obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin. Schnell zeigte sich, dass meine Angst begründet war. In Deutschland und auf der ganzen Welt breiteten sich kurze Zeit später anti-asiatische Ressentiments wieder aus. […] Es war für mich gerade am Anfang der Pandemie unangenehm, Bahn und Bus zu fahren und überhaupt draußen in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein. Ich musste jedesmal tunlichst darauf achten, in der Öffentlichkeit weder zu husten noch zu niesen, denn beides hätte zu einer möglichen Stigmatisierung geführt. […]»
Unseren Projektkoordinator Luca Jacobs machten diesen Aussagen traurig und wütend zugleich. Dass das Virus unabhängig von der vermuteten oder tatsächlichen Herkunft jede:n befallen kann, lässt sich an den Zahlen der weltweiten Infizierten ablesen. Dem geschürten Rassismus gilt es daher entschieden entgegen zu treten und sich mit den Opfern solidarisch zu zeigen.
Die Pandemie dauert an
Ein neuer Alltag
Mit andauernder Pandemie verändert sich nicht nur unser Alltag – wir arbeiten verstärkt aus dem Home Office, die Schule findet im Distanzunterricht statt, Kitas haben geschlossen – sondern auch die Gegenwart um uns herum. Kulturveranstaltungen werden großflächig abgesagt, sodass die Litfaßsäulen in den Städten leer bleiben: Ohne Kultur fehlt was! Im öffentlichen Nahverkehr sitzen die Fahrer:innen hinter einer Absperrfolie getrennt von den Gästen: Die soziale Interaktion wird eingeschränkt. Und doch kommt es in diesem neuen Alltag zu einer Stimmung, die von Frohsein über Freunde, Familie und Kolleg:innen beflügelt – und einfach gut tut.
Keine Partys, kaum Konzerte, Museen geschlossen
Ohne Kultur fehlt was
Die leeren Litfaßsäulen sind ein wiederkehrendes Motiv in unserer Sammlung stellt unsere coronarchiv-Moderatorin Sara Gätke fest. Obwohl sie die Litfaßsäulen in plakatierter Version vor der Pandemie kaum aktiv wahrgenommen hat, scheinen die leeren Litfaßsäulen vielen ein Symbol für all die abgesagten Veranstaltungen, Aufführungen und Ausstellungen, manchmal aber auch einfach für das sehr vermisste Ausgehen mit Freund:innen zu sein. Und schließlich, so fügt Sara noch hinzu, „allen Beiträgen mit leeren Litfaßsäulen ist aber diese Botschaft gemein: Ohne Kultur fehlt was!»
Neue Schutzmaßnahmen
PREVENCIÓN TRANSPORTE PUBLICO
Cochabamba, Bolivien im Januar 2021: Die Corona-Pandemie trifft auch Bolivien, wie viele andere lateinamerikanische Länder, schwer. Kechi Flores ist mit dem Taxi unterwegs und lädt das Foto der Fahrt in das spanische coronarchiv – das coronarchivo – hoch. Die Übersetzung des Plakats an der zusätzlich eingebauten Plastikabtrennung lautet: „Warnung: Herr Reisender, melden Sie sich laut an, bevor Sie aussteigen. Aufgrund der Biosicherheitsabdeckung hört der Fahrer nicht zu. Vielen Dank!»
Nayeli Ávila aus unserem Social-Media-Team erinnert dieses Plakat an ihre Reise durch Südperu im Februar-März 2020. Damals war sie ganz in der Nähe zu Bolivien unterwegs und sah ähnliche Schilder und Abtrennungen im öffentlichen Nahverkehr.
Neuer alltag, NEue freude
wir blistersisters
„Das Bild war das (für mich) erste, von dem auch eine gewisse Fröhlichkeit ausging. Ich erinnere mich, dass ich mich darüber sehr gefreut habe», beschreibt unser Kollege Christian Bunnenberg den Moment als er das Foto der „Blistersisters» zum ersten Mal sah. Die „Sisters» sind Frauke und ihren beiden Kolleginnen Martina und Martina. Sie arbeiten für Pflegeheime und blistern die wöchentlichen Medikationen. Dafür sind sind sie oft von früh bis spät in ihrer Apotheke. Auch wenn sie sich nicht umarmen dürfen, nur mit Mundschutz, Handschuhen und Kopfhaube arbeiten, so sind sie doch froh, dass sich sich haben, wie Frauke uns in ihrem Beitrag verrät.
Dankbarkeit
Freuden und Solidarität
Fortan hielt die Freude über die kleinen Dinge Einzug in unseren Alltag: Geburtstage werden auf Abstand gefeiert, Spieleabende über das digitale Konferenztool abgehalten und Freunde auf einen langen distanzieren Spaziergang getroffen. Ohne die „Held:innen des Alltags» wären die kleinen Dinge des Alltags jedoch kaum möglich gewesen. Pfleger:innen, Arzt:innen, Verkäufer:innen und noch viele mehr, sorgen dafür, dass sich die Welt ein stückweit so weiter dreht, wie wir sie bis zur Pandemie kannten. Ihnen gilt die Solidarität und Dankbarkeit in dieser Pandemie.
Kleine freuden in schwierigen zeiten
Geburtstag in corona-zeiten
„Die Beiträge von Kindern rühren mich eh immer“, beschreibt unsere Kollegin Catharina aus der Moderation ihre Begeisterung für die Einsendung von Kindern. „Zu sehen, wie die Kinder mit der Situation umgehen“, sei für sie besonders spannend zu beobachten, denn auch jedes Kind erlebt diese Pandemie ganz unterschiedlich. Einige Einreichungen erzählen beispielsweise davon, dass sich die Kinder wieder einen Besuch bei Oma und Opa wünschen, sie diese wieder drücken und herzen möchten. Um ihrem Enkel dennoch eine Freude zu machen, besuchten die Großeltern das Geburtstagskind auf Abstand und mit Maske. Geschenke, Süßigkeiten und Kerzen hatten sie vor die Haustür platziert. Und die Freude war trotzdem groß!
Würdigung
Held:innen des Alltags
Das Fotoprojekt „Quienes abastecen la ciudad“ (DE: Wer versorgt die Stadt) des mexikanischen Fotografen Francisco Lion ist eine Hommage an alle berufstätigen Frauen und Männer auf den Märkten Mexikos und der Welt. Es entstand im Dezember 2020. Lion nennt sie die „Held:innen des Alltags“: Trotz des globalen Gesundheitsnotstands, ihres eigenen Alters und der eigenen Angst vor Verlust und Krankheit arbeiteten sie für die Gemeinschaft und versorgten die Stadt. Da ist zum Beispiel das Bild einer älteren Dame, die zusammen mit ihrer Enkelin Süßigkeiten auf dem Markt verkauft. Während die Großmutter mit Thermometer und Desinfektionsmittel ausgestattet ist, begleitet die Enkelin sie aus der Angst, ihre Oma könnte krank werden. Daniela Castrillón Buitrago aus unserem spanischen Social-Media-Team ist diese Einsendung als besonders emotional in Erinnerung geblieben. Nur durch diese Held:innen des Alltags konnte sich unsere Welt ein stückweit so weiter drehen, wie wir es bis vor der Pandemie kannten: In Mexiko, in Dänemark, in Japan, auf der ganzen Welt.
Mit corona lernen
Kreativität vs corona
Der Kreativität in den Beiträgen des coronarchivs ist keine Grenzen gesetzt. Nicht selten konnten wir uns sehr darüber freuen, was Menschen Jung und Alt an Beiträgen produzierten um dem Virus mit Freude, Humor und ausgestopften Putzhandschuhen entgegen zu treten.
Mit Corona zu den Umlauten
Deutsch hausaufgabe
Sophia Löhmann aus dem Moderationsteam des coronarchivs blieb dieser Beitrag aus zwei Gründen in Erinnerung: Zum einen zeigt sich an dieser Deutsch Hausaufgabe der 7-jährige Caija, dass die Pandemie schon frühzeitig Auswirkungen auf das Lernen von Kindern hatte. Casey, Caijas Mutter reichte dieses Foto im April 2020 ein. Zum anderen offenbarte sich hier dran aber auch eine große Menge Kreativität im Umgang mit der Pandemie, die Sophia begeisterte. Die Aufgabe im Wochenplan der jungen Schülerin sah nämlich vor, dass sie sich überlegen sollte wie A, O und U zu ihren Punkten kommen. Welche Antwort war da also naheliegender, als dass die Buchstaben – in einer Pandemie – von Corona angehustet wurden und so zu ihren Punkten kamen. Caija hielt dies in ihrem Comic fest.
Ich bin Enno, sechs Jahre alt und ich habe die Corona-Schatzsuche erfunden.
Alles fing damit an, dass ich mich zu Hause langweilte, wenn Mama im Home Office arbeitete, und ich meine Freunde vermisste, weil der Kindergarten geschlossen war. Meine Mutter hat vorgeschlagen, wir sollten skypen, aber man hat sich ja nichts zu erzählen, wenn man nichts erlebt. Da es bei uns zwar eine Kontaktsperre, aber keine Ausgangssperre gab, habe ich angefangen, draußen Schätze zu verstecken, Schatzkarten dazu zu malen uns sie meinen Freunden vor die Tür zu legen. Dann habe ich geklingelt und bin weggerannt – wir sollten ja Abstand halten. Meine Freunde fanden die Idee total toll, und manche haben sich direkt mit einem Schatz revanchiert.»
Ich bin kreativen Köpfen wie Enno jedes Mal sehr dankbar, wenn sie ihre Ideen im coronarchiv teilen und so helfen, ein bisschen Freude und Spaß zu verbreiten» fasst Sara Gätke aus dem Moderationsteam ihre Gedanken über Ennos Beitrag zusammen. Daran zeige sich nicht nur, was die Pandemie für Kinder bedeuten kann, sondern auch wie wunderbar kreativ sie doch Wege finden, um mit ihren Freund:innen spielen zu können.
Kreativer Mindestabstand
Corona hand
So ist das Hände schütteln und auf die Schulter klopfen wieder möglich! Diese spielerisch kreative und lustige Umsetzung der 1,5m Mindestabstandregel ist unserem Kollegen Luca Jacobs in Erinnerung geblieben. Um das Gefühl für den Abstand zu bekommen, haben die Betreuerin eines Kinderhorts und ihr Freund eine Corona-Hand für die Kinder und Jugendlichen gebastelt. Diese ist genau 1,5m lang.
Neben der Kreativität zeigt sich an dieser Umsetzung auch die Schwierigkeit in der Einschätzung des 1,5m Mindestabstandes, der durch die bewusste Visualisierung entgegen gewirkt werden soll.
Die zeit nach corona
Und in Zukunft?
Wo werden wir in einem Jahr stehen? Bei aller Jubiläums-Taumelei ist für unser coronarchiv-Team eines ganz klar: einen zweiten Geburtstag möchten wir auch feiern, dann aber gerne ohne Corona. Ob nachdenklicher Rückblick auf ein Jahr Corona-Pandemie oder eine Sammlung an Vorfreude-Post für die Zeit danach: das coronarchiv lebt von diesen unterschiedlichen Perspektiven die es für die Geschichtsbücher von morgen festzuhalten gilt. Dies wird auch in der Zeit nach Corona wichtig sein – und dann gibt es vielleicht auch irgendwann eine «Corona-Vorbei-Party»!
Verschoben, nicht aufgehoben
Vorfreude sammelbox
„Essen gehen», „Ausflüge machen», “Schnacken, quatschen können, ohne Abstand halten zu müssen!»: Tina hat sich Ende März 2020 eine eigene Sammelbox für all ihre Vorfreuden gebaut. Sie sei müde, daran erinnert zu werden, was alles nicht geht. Daher sehe sie das Positive im Augenblick und mache das Beste draus.
Tinas Beitrag sorgte nicht nur bei unserem Kollegen Luca Jacobs für viel Freude sondern bereicherte damit auch die Community auf unseren Social-Media-Kanälen. Denn in uns allen wartet die Vorfreude auf eine Zeit nach Corona, auf die Erlebnisse und Erfahrungen danach. Bis dahin: Keep calm and wait!
Happy Birthday Corona - mein persönlicher Corona-Rückblick
Genau heute vor einem Jahr, am 09.03.2020, machte ich meinen Wocheneinkauf und stand im Laden vor leeren Regalen. Es gab praktisch keine Nudeln, Dosensuppen, haltbare Lebensmittel und Toilettenpapier. […]»
„Meine Erwartungen für die Zukunft? Ich wage nichts zu hoffen. Zwei Familienurlaube, die komplett geplant und gebucht waren, wurden bereits storniert. Den neuen Urlaub trauen wir uns gar nicht zu planen. Vielleicht im nächsten Jahr, dann sollte es doch endlich mit Hilfe der Impfung besser werden… […] Mal sehen, was Corona und die Zeit noch bringen werden…»
Werden wir in einem Jahr einen weiteren Corona-Rückblick von Melanie Ro erhalten? Wie werden wir in einem Jahr mit Corona umgehen? Melanies Beitrag verdeutlicht eine Unsicherheit, die von weiten Teilen der Gesellschaft gefühlt wird. Gleichzeitig gibt es eine große Hoffnung auf Besserung durch die zunehmende Anzahl an Impfstoffen gegen das Corona-Virus.