Geschichten des Alltags

Kinder und Jugendliche im Lockdown

Im Frühjahr 2020 – während des ersten «Lockdowns» – hat das coronarchiv zusammen mit der Körber-Stiftung eine Mitmachen-Aktion ins Leben gerufen. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre waren aufgerufen, ihren veränderten Alltag zu dokumentieren und einzureichen. Insgesamt haben über 1.500 junge Menschen mitgemacht. 

In dieser Ausstellung kannst Du ausgewählte Einreichungen entdecken. Sie wird Woche für Woche mit einem neuen Themenschwerpunkt erweitert.

Wer? Wann? Wie?

Die Mitmach-Aktion

Die Körber-Stiftung und das coronarchiv haben gemeinsam Kinder und Jugendliche aufgerufen, eigene Fundstücke, Erfahrungsberichte und Erlebnisse in der Corona-Krise zu dokumentieren.

Bis zum Einsendeschluss am 15. Mai 2020 haben bundesweit über 1.500 Kinder und Jugendliche teilgenommen. Von 1.120 Beiträgen hat die Jury 50 Beiträge ausgewählt und mit einem Buchpreis ausgezeichnet. Inzwischen sind alle Beiträge im coronarchiv zu finden und werden als Quelle zur Dokumentation der Corona-Krise archiviert.

Lernen und Gemeinschaft in Zeiten einer Pandemie

Zuhause

Für viele Kinder und Jugendliche hat sich direkt zu Beginn der Pandemie einiges verändert: Der Alltag mit Mitschüler:innen, Freund:innen und Familie war nicht mehr möglich. Es hieß: Zuhause bleiben und zuhause lernen, neue Formen von Kommunikation finden und Strategien für die Bewältigung der neuen Situation entwickeln. Die folgenden Beiträge zeigen, wie vielfältig die Schüler:innen auf ihren neuen Alltag im Frühjahr 2020 geblickt und welche Belastungen und kreativen Freiräume sie für sich gefunden haben. Es wird schnell klar: Homeschooling heißt im Lockdown nicht nur pauken, sondern auch einen Weg zu finden, die Corona-Krise zu verstehen und mit all den Veränderungen sich herum zurechtzukommen.

Timon, 11 Jahre

"Homeschooling"

Der elfjährige Timon aus dem bayerischen Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat seine Erfahrungen mit dem Distanzlernen in einer farbenfrohen Collage zusammengestellt. Zeitungsschnipsel stellen beispielhaft die Situation und die Eindrücke von Schülerinnen und Schülern im Homeschooling dar.

Er schreibt: «die Collage zeigt, dass ich das Homeschooling satt habe und mein Kopf vom alleine Lernen schon überquillt und platzt!»

Laszlo, 10 Jahre

"Schome-Hooling"

«In Coronazeiten ist wohl alles anders», schreibt der zehnjährige Laszlo aus Berlin zu seinem Beitrag. In seinem Video berichtet er über seinen Alltag und zeigt, dass die Pandemie wirklich alles durcheinandergebracht hat – sogar die Silben! «Die Dule machte schicht.» Und was passierte dann? Seht selbst!

Linus, 12 Jahre

"Homeschooling-Tagesschau"

Der zwölfjährige Linus aus dem brandenburgischen Michendorf hat die Zeit zuhause genutzt, um eine eigene Nachrichtensendung zu entwickeln. In der «Homeschooling-Tagesschau» präsentiert er seine Beobachtungen aus dem März 2020 sowie Einschätzungen zu Vorkommnissen im Alltag und der Welt.

Gesamtschule Fischbach

Corona-Sonderausgabe der Schülerzeitung

Die Schülerzeitungsredaktion der Gesamtschule Fischbach im hessischen Kelkheim hat eine Corona-Sonderausgabe zusammengestellt. Darin zahlreiche und vielfältige Gedichte, Texte und Fotos, die den «neuen» Alltag der Schülerschaft während der Pandemie illustrieren.

Lara empfiehlt ihren Mitschüler:innen in ihren «Tipps für den Zeitvertreib» voller Optimismus unter anderem: «Bilde dich weiter» und «Zimmer aufräumen»! Aber auch nachdenkliche Stimmen kommen zu Wort: «Hätte man eine genauere Zeitbegrenzung, wie lange diese Sperre anhält, würde man sich auch eher daran halten, aber diese Ungewissheit sei unaushaltbar».

Mehr als Ich, ich, ich.

Solidarität und Hilfsbereitschaft

Keine Schule, keine Freunde treffen, keine Freizeitangebote nutzen – der Alltag von Kindern und Jugendlichen ist im Lockdown massiv eingeschränkt. Die jungen Beiträger:innen haben in der Mitmach-Aktion aber eindrucksvoll bewiesen, dass sie dabei nicht nur an sich selbst denken, sondern auch an ihre Mitmenschen. Appelle an Solidarität und Hilfsbereitschaft ziehen sich durch viele Beiträge.

Katja, 14 Jahre

"WEN WIR VERGESSEN HABEN"

Die vierzehnjährige Katja aus dem baden-württembergischen Denzlingen erinnert in ihrem Text an all diejenigen, die in der Krise vergessen wurden: Menschen im Gesundheitswesen, LKW-Fahrer:innen und Amazon-Mitarbeiter:innen.

WEN WIR VERGESSEN HABEN

Solidarität ist wichtig und in Zeiten wie diesen brauchen wir sie. Wir sind froh, dass es Menschen gibt, die helfen. Sie helfen älteren Menschen und chronisch kranken Menschen, sie unterstützen Ärzt*innen, Apotheker*innen, Altenpfleger*innen und alle in systemrelevanten Berufen. Darüber spricht man gern und oft. Das ist keinem unangenehm, das macht Spaß. Man bemüht sich, schnellstmöglich Hilfe für die zu organisieren, die ihre Jobs verloren haben. Man spricht davon, dass Hilfspakete bereitgestellt werden und man an einer Lösung arbeitet. Aber ist das alles? Haben wir jetzt an alle gedacht? Viele sagen ja, wir tun alles, was wir können. Und wenn wir Menschen vergessen haben? Was ist mit Obdachlosen? Sie gehören zur Gesellschaft und sind Menschen wie wir. Aber sie werden behandelt wie Dreck. Ungeziefer. Das war schon immer so. Es gibt Tafeln und Unterkünfte, es gibt Waschanlagen und Spenden. Ja, all das wurde bereitgestellt. Und das hat noch nie gereicht. Und jetzt? Die Bereitstellung von Lebensmitteln, ärztlicher Versorgung und sanitären Einrichtungen bricht nahezu vollständig ab. Regelmäßig Hände waschen? Im Haus bleiben? Kontakt meiden? Wie soll das denn möglich sein, wenn man kein Haus oder keine Wohnung hat? Tagesaufenthaltsstätten werden geschlossen, da sich dort zu viele Menschen auf engem Raum aufhalten. Es gibt viele auf der Straße Lebende, die nicht wissen, was Covid-19 ist, weil sie keinen Zugang zu Medien haben oder die Landessprache nicht sprechen. Wenn nun jemand, der auf der Straße lebt, sich mit dem Virus infiziert, dann erhält er oder sie keine ärztliche Hilfe und kann sich nicht in Quarantäne begeben. Womöglich weiß diese Person gar nicht, dass er oder sie infiziert ist, weil keine Testmöglichkeiten bestehen. Viele sagen, es müsste so sein. Wir könnten eben nicht an alle denken. Was ist mit LKW-Fahrer*innen? Die Lenkzeiten werden angepasst und ausgedehnt. Übermüdung ist garantiert. Viele müssen ihre Kinder mitnehmen, weil diese nicht in die Schule oder in den Kindergarten gehen können. Normalerweise gibt es sanitäre Einrichtungen an Tankstellen, wo man duschen und zur Toilette gehen kann. Aber jetzt? Geschlossen. Keine Toiletten, keine Duschen. Zu viele Menschen, die miteinander in Kontakt wären. Aber bei so vielen Problemen, die gelöst werden müssen, fallen eben manche hinten runter. Was ist mit Menschen, die von Sucht betroffen sind? Beratungsstellen sind nur noch telefonisch erreichbar und die Zeiten dafür sind so knapp, dass die Leitungen überlastet sind. Nicht jede*r wird gehört, nicht jedem oder jeder kann rechtzeitig geholfen werden. Dazu kommt, dass der Entzug von Suchtmitteln nicht immer zur Bekämpfung der Sucht beiträgt. Oft kann dadurch eine tödliche Reaktion des Körpers in Form von starken Entzugserscheinungen hervorgerufen werden. Aber was ist, wenn man sich die Suchtmittel nicht beschaffen kann, weil bestimmte Geschäfte geschlossen sind oder das Angebot durch Hamsterkäufe eingeschränkt wurde? Man kürzt, wo es geht und denkt nicht daran, dass andere Menschen etwas anderes brauchen als man selbst. Was ist mit Mitarbeiter*innen von beispielsweise Amazon? In diesen Zeiten bestellen viele Menschen Waren im Internet und Amazon und andere machen Rekordumsätze. Aber was ist mit den Mitarbeiter*innen? Oft werden die Mindestabstände zwischen den Angestellten nicht eingehalten, weil es dazu zu viele sind. Das Personal wird nicht direkt informiert, wenn es einen Krankheitsfall gibt und Handscanner und ähnliches, die durch mehrere Hände gehen, werden kaum gereinigt. Offenbar wurde für Angestellte, die zur Arbeit kommen, der Lohn pro Stunde um zwei Euro erhöht, was aus einem ZEIT ONLINE Artikel hervorgeht. Dadurch kommen auch kranke Mitarbeiter*innen zur Arbeit, um mehr Geld zu verdienen, was die Gesundheit der anderen gefährdet. Amazon weist all diese Vorwürfe zurück, die Lohnerhöhung sei ein Dankeschön für alle, die in diesen schweren Zeiten zur Arbeit kommen.
Und all diese Menschen haben wir vergessen. Wir haben nicht an sie gedacht und wir denken nicht an sie. Wir hätten ihnen helfen können, aber wir haben es nicht getan. Wir setzten ihr Leben aufs Spiel. Und warum? Weil es viel einfacher ist, wegzusehen und nichts zu tun, anstatt sich zu Wort zu melden und etwas zu bewegen. Und weil es zu viel kostbare Zeit in Anspruch nehmen würde, die andere gar nicht mehr haben, weil wir sie ihnen genommen haben. Wir haben Menschen vergessen, die dazu gehören wie wir und wir haben Menschenleben aufs Spiel gesetzt, weil es viel einfacher ist, als Menschenleben zu retten. Es kann ja nicht jedem gut gehen.

Theresa, 12 Jahre

"Helft mit!"

«Einander helfen heißt jetzt: zuhause bleiben!» Theresa aus dem bayerischen Sommerach hat einen Stop-Motion-Film produziert. Mit einander helfenden Smileys verbreitet sie eine eindringliche Botschaft der Solidarität.

Nina, 16 Jahre

"STAY HOME, they say"

Nina aus Mainz schreibt zu ihrer eindrucksvollen Zeichnung: «Das […] Bild nenne ich << «STAY HOME» – they say.>> und es behandelt Obdachlosigkeit in der Coronakrise. Ich möchte auf diese Thematik aufmerksam machen, da nicht alle Menschen zuhause bleiben können, was in dieser Zeit von allen gefordert wird. Die Lage in Obdachlosenunterkünften wiederum entspricht oftmals nicht den geforderten Hygienestandards.» 

Hassan, 17 Jahre

"Brief in der Zukunft"

Der Hamburger Hassan hat einen fiktiven Brief an seine Enkelkinder geschrieben. Als zukünftiger Großvater berichtet er nicht nur von der Corona-Krise, sondern gibt ihnen mit auf den Weg, dass die Menschen wegen egoistisch sein und mehr auf die Welt achten sollten.

Wie geht es weiter?

Diese Ausstellung wird von Woche zu Woche fortgesetzt. Das nächste Kapitel erscheint hier am 2. April 2021.

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