Ausstellung coronArchivare
Corona ist Geschichte
und nervt?!
Unter diesem Motto tauschten sich Jugendliche über zwei Jahre hinweg zu ihren Pandemie-Erfahrungen in bundesweit 25 Workshops aus. Die meisten dieser Workshops fanden in Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit statt, in Jugendzentren, Jugendtreffs und Jugendclubs – offene Räume, die Jugendliche selbst aktiv mitgestalten.
Das coronarchiv hat Jugendliche dazu eingeladen, in den Workshops Corona-Erfahrungen zu teilen und zu diskutieren: über die Pandemie-Erinnerungen und Geschichtswissenschaft und über die politische Bedeutung der eigenen Pandemiegeschichte. Das coronarchiv bot sich ihnen als Plattform an, um an der Pandemiegeschichtsschreibung mitzuwirken.
Viele Jugendliche reichten Beiträge in das coronarchiv ein. Mit dieser Ausstellung bekommen einige dieser Beiträge eine Bühne.
Es geht um Alltag, das Leben mit Pandemie-Maßnahmen und die Frage nach dem „Und jetzt?! Was machte die Pandemie mit uns? Was machen wir aus der Pandemie?“
Workshop-Flyer
Alltag
Die Corona-Pandemie beeinflusste den Alltag der Menschen enorm – insbesondere den von Jugendlichen. Dinge, die jugendliches Leben eigentlich ausmachen – sich vom Zuhause emanzipieren, sich ausprobieren, eine eigene Persönlichkeit entwickeln, erste sexuelle Erfahrungen machen und statt mit der Familie mit Freund:innen Zeit verbringen – das alles wurde durch die Maßnahmen
zur Pandemiebekämpfung massiv eingeschränkt.
Die Schulzeit & das Teenager Leben während Corona von Laura, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19210
Die Schulzeit & das Teenager Leben während Corona von Laura, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19210
Wie war das alltägliche Leben mit der Pandemie für die Jugendlichen? In ihren Beiträgen sprechen sie über die Veränderungen und wie sie damit umgingen. Sie alle erinnern sich unterschiedlich an Corona, doch ist es letztlich eine gemeinsame Erfahrung. Alle haben etwas zu sagen, denn alle hat die Pandemie betroffen.
Die Schulzeit & das Teenager Leben während Corona von Laura, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19210
“Wir wollten mit 14-16 Jahren die Welt sehen, Dinge unternehmen und beieinander sein, Spaß und Erinnerungen gemeinsam erleben. Stattdessen wurden wir getrennt, sind durch ein leeres Bremen gelaufen. Ich habe manchmal das Gefühl, ein Teil meiner Jugend ist weg, wenn nicht sogar weggeschlossen hinter Masken und Türen, die man Angst hatte zu öffnen weil man nicht wusste was einen erwartet. (…)“
Die Schulzeit & das Teenager Leben während Corona von Laura, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19210
“(…) In diesem Beitrag sieht man besonders oft die Videokonferenzen, die A&B Gruppen und die wirklich schlechte Internet Verbindung während der Corona Zeit. Viele von uns haben die Erfahrung gemacht, dass du schulischen Leistungen gesunken sind, da wir alle vieles im Kopf hatten, außer lernen und Schule.“
Die Schulzeit & das Teenager Leben während Corona von Laura, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19210
Einige Jugendliche nutzten Freiräume, die durch die Pandemie entstanden. Sie konnten z.B. eigenständig entscheiden, wann sie aufstehen und Schulaufgaben machen. Oder sie probierten neue Hobbies aus. Andererseits wiederum schränkten die Pandemie-Regeln die Wege, kreativ mit der Situation umzugehen, stark ein.
Saß zimmerlager von Tyler, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19051
„1.Lockdown April 2020 Ich hatte mich lang genug zuhause gelangweilt. Meine Mutter hatte die Idee für einen Tag in die Natur zu fahren. Ich weiß noch wie sie sowas sagte wie: „Das wird dir bestimmt guttun.“ Wir stiegen ins Auto und fuhren an einen Ort im Wald, den ich seit meiner Kindheit kenne. Ich erinner[e] mich an kein bestimmtes Gefühl, das ich in der Natur bekam, das irgendwie das Leben leichter machte oder so. So langweilte ich mich einfach einen weiteren Tag in der Natur. Immerhin hatte ich etwas anderes gesehen.“
Ausbruch in die Natur (Ein ereignisloser Tag) von Rosa, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19232
Mit wem musste man zu Hause auf engem Raum zusammenleben und sich vertragen? Wie viel Platz hat man für sich selbst? War es möglich, ein Smartphone oder einen Computer zu nutzen? Hat man durch Lehrkräfte Unterstützung und Verständnis erfahren? Oder fühlte man sich durch sie nur zusätzlich unter Druck gesetzt? Und wie beeinflusste Geld die Pandemie-Erfahrung?
Leben mit Pandemie-Maßnahmen
Meme 2020 von Max , CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17695
Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie schränkten jugendliches Leben massiv ein. Jugendliche wurden zu Beginn der Pandemie oft als gefährlich beschrieben, das zeigte sich z.B. in der Angst vor den sogenannten „Corona-Partys“. Später wurden sie dann zu Opfern der Pandemie gemacht oder man hat sie auf ihre Rolle als Schüler:innen reduziert. Nur selten standen sie als Menschen mit individuellen Bedürfnissen im Fokus, sodass diese bei den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung oft nicht berücksichtigt wurden.
Widerspruch durch Jugendliche, ihre Eigenwilligkeit und der Sinn für Abweichung von Normen können aber dazu beitragen, dass die Gesellschaft Regeln kritisch reflektiert und diskutiert. Diese Möglichkeit wurde in der Pandemie zu wenig genutzt. Dies hat verdeutlicht, wie stark das Leben von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene beeinflusst wird und sie sich gegenüber ihnen behaupten müssen. Vor allem in der Schule, wo Jugendliche viel Zeit verbringen, erleben sie wenig politische Teilhabe.
HAMSTER EINKAUF von Picasso, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19108
„Nicht raus gehen können und nichts machen können mit Freunden und auch nicht in die Schule gehen“
Zu Hause alleine von Vanessa, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19053
Skibiddi-Toillette von Didabohln, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19110
“Knockdown im Lockdown
Corona hat uns knockout
gemacht. es war die schlimmste
Zeit die wir bis zum 14.05.24 erlebten. Wir könnten
nichts machen. Es war so
langweilig”.
Die Corona-Regeln werden in den Beiträgen immer wieder thematisiert: Um wen hatten die Jugendlichen Angst, wen wollten sie durch das Einhalten von Maßnahmen schützen? Und welche Regeln waren besonders schwer zu beachten? Und wie kommen diese Regeln eigentlich zustande?
Knockdown im lockdown von Where is my Hamster 0784, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19105
Konnten Jugendliche sich mit ihren Bedürfnissen in die Diskussionen über die Maßnahmen einbringen? Wo gab es trotz der Regeln Freiräume, die sie eigenständig gestalten konnten? Warum fühlten sich viele Jugendliche in der Pandemie völlig alleingelassen? Und wo haben sie sich geborgen und geschützt gefühlt?
“Nicht aufhören selbstständig zu denken”
„Im Falle einer Pandemie muss man bedenken, dass sich die Welt weiterdreht und keinen Stop-Knopf hat. Auch dass die Regierung nicht immer Recht hat und man seinen eigenen Kopf dabei einschalten muss, ist dabei wichtig und nicht zu vergessen. Denn jeder ist individuell und sollte demnach auch leben können und dürfen.“
Nicht aufhören selbstständig zu denken von Shirizzle, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19262
„Ein Bild aus dem Jahre 2021. Wir haben ein online Konzert mit 20 Schüler-/innen gegeben. Alle mussten in die Musikschule kommen und spielen, man hatte drei Takes. Der beste wurde genommen. Am Ende der Woche war der Zusammenschnitt dann auf YouTube online. Man kann sich dieses Video bis heute noch anschauen!“
Konzert während der Coronazeit von Carlotta, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19208
Und jetzt?! Corona ist Geschichte und nervt?!
Die Isolation von Stany, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17701
Corona in 3 Bildern von Max, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17697
Die Pandemie ist vergangen, aber die Geschichte der Pandemie wird jetzt erst gemacht: Menschen machen Pandemiegeschichte, indem sie daran erinnern und von ihren Erfahrungen Pandemiegeschichte erzählen.
Die Corona-Erfahrungen der Jugendlichen sind sehr vielfältig. Ihr Wissen aus der Pandemie lassen sie in ihre Lebensentscheidungen einfließen und gestalten auf diese Weise die Gesellschaft mit.
Finding myself von Reggi, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17691
wachstum von Luke, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17689
„without bloming and growing there will be no beautiful thing left in this world“
Welche Konsequenzen ziehen die Jugendlichen für sich aus der Pandemie? Wie denken sie über die Folgen der Pandemie für die Gesellschaft nach? Welche politischen Ideen und Forderungen haben sie?
So sehen Viren aus. (Mhm stimmt wirklich) von T&M, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19106
Corona in 3 Bildern von Max, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17697
„Zeit nach der Abitur“
„Die Abiturzeit während Corona im Jahr 2020 war eine meiner schlimmsten Momente meines bisherigen Lebens. Sozial komplett abgeschottet und psychisch extrem belastet, kam noch der enorme Leistungsdruck in den Prüfungen hinzu. Am Ende war mein Abitur ruiniert und ich hatte das Gewissen, diese Fehler nie wieder berichtigen zu können und damit leben zu müssen. Nach dieser Demütigung habe ich gelernt, dass man sich selber immer der Nächste ist und man sich in erster Linie nur selber vertrauen kann. Man muss selber die Kontrolle behalten.“
Zeit nach dem Abitur von Calwer, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=19263
Durch die Einschränkungen der Pandemie wurde deutlich, dass die Möglichkeiten zur politischen Mitbestimmung und gesellschaftlichen Teilhabe für Jugendliche nur wenig gesichert sind. Das bietet Potenzial für Frust und Resignation, besonders bei Jugendlichen die für politische Fragen sensibel sind und sich engagieren möchten.
Corona in 3 Bildern von Max, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17697
„Die Steigung, zeigt wie kurz der Weg hätte sein sollen aber das er doch so lange und steil war, hatte niemand geglaubt. So lange das wir uns kaum mehr an die Zeit erinnern.“
Ein langer steiler Weg von JDay, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17687
Wie sehr Jugendliche gesellschaftliche Entscheidungen beeinflussen können, hängt auch von Erwachsenen, älteren Menschen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und öffentlichen Einrichtungen ab – davon, inwiefern diese die Bedürfnisse der Jugendlichen anerkennen und ihre Erfahrungen in der Pandemiegeschichte, die sie erzählen, einfließen lassen.
Die Isolation von Stany, CC BY-SA 4.0, coronarchiv, online unter: https://www.coronarchiv.de/item?id=17701
Die Prinzipien von Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit zeigen, wie das ermöglicht werden kann. Hier arbeiten Jugendliche und Erwachsene demokratisch und soweit es geht auf Augenhöhe zusammen – eine Offenheit, die auch in der Pandemiegeschichte möglich ist, wenn die Gesellschaft sich dafür entscheidet.
Das Projekt „coronArchivare“ wurde durch die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.